Gute Technik allein reicht für den Nachwuchs nicht

Das dritte Jahr in Folge machte die Fußballschule von Hannover 96 Halt im Auetal, auf dem Obersburg-Sportplatz trainierten 60 Jugendliche drei Tage. Unsere Redaktion hat sich dort ein bisschen umgesehen und traf dabei auch jemanden, der wurde, was der FC Bayern gern geworden wäre: Double-Gewinner.
Wegen Peter Rasch hätte man das Telefon wohl nicht erfinden müssen: Seine Stimme trägt. Und daher weht der leichte Sommerwind seine Unzufriedenheit hörbar über den gesamten Trainingsplatz: Es dauert ihm zu lange, es geht ihm nicht schnell genug, bei einer 30-minütigen Trainingseinheit kann und will er nicht zehn Minuten damit verplempern, die Regeln zu erklären: „An der Playstation habt ihr das doch auch nach zwei Minuten verstanden“, stellt Rasch mal kurz fest.
Das Trainingslager im Auetal ist kein Kindergeburtstag
Rasch ist eine Autorität in Torwartfragen, er war von 2002 bis 2022 in der 96-Akademie, das ist das Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96, das ist die 96-Fußballschule, und in seiner eigenen Torwartschule in Hannover-Wettbergen als Torwarttrainer tätig. In Rehren steht an diesem Nachmittag eine ganz spezielle Übung an, denn moderne Torhüter müssen aus der schnellen Beinarbeit in die Sicherung flacher Bälle kommen, oder einfacher formuliert: Sie müssen halt schnell runter und fest zupacken. In der Praxis stellt sich der Sepp-Maier-Nachwuchs in einer Reihe auf: Der erste schießt, läuft dem Ball nach, stellt sich selbst ins Tor und hält den nächsten Ball, den er dann nach links oder rechts locker wegkickt. Und als neutraler Beobachter möchte man von der sich in den Hang schmiegenden Tribüne das eine oder andere Mal den Nachwuchskickern gerne einen hilfreichen Tipp nach unten rufen: das andere Links.
Aber im Ernst: Das dreitägige Trainingslager ist kein Kindergeburtstag, es wird hart gearbeitet, das sieht selbst der Fußballlaie. Und es entwickelt sich zu einem Selbstläufer, denn es ist komplett ausgebucht, erzählt Melanie Sieveking als Jugendleiterin des SC Auetal. 60 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren, aus dem gesamten Landkreis, weil ja jeder teilnehmen kann, es ist das dritte Jahr in Folge mit der Fußball-Schule der 96er, auch 2024 wird sie hier in Rehren wieder Station machen, ein Termin steht aber noch nicht fest.
Sprintfähigkeit nimmt im Fußball heute eine Schlüsselrolle ein

Tobias Feldmann ist Leiter dieser Nachwuchs-Fußballschule und hat blendend gute Laune. Woran liegt‘s?
Am VfL Borsum, sagt Feldmann, dort spielt er Fußball, Mittelfeld, 1. Herren, bis Ende März Kreisliga A Hildesheim, dann hat die Mannschaft den Meistertitel geholt, nächste Saison also Bezirksliga, und Pfingstmontag habe man auch noch den Kreispokal eingetütet, 2 : 0 im Endspiel, also Double.
Feldmann, der seit 2014 in der Fußball-Schule arbeitet und sich nach eigenen Worten „hundertprozentig“ mit Hannover 96, dem Deutschen Meister von 1954, identifiziert, kommt im Pressegespräch sofort auf den berühmten Punkt, der hier eine Rolle spielt: Das Fußballspiel ändere sich, also müsse sich auch das Angebot der Fußballschule ändern, es muss mitziehen, „es geht mit der Zeit“, sagt er und verweist auf Messgeräte für die Schnelligkeit bei Sprints. Denn die Sprintfähigkeit nimmt eine Schlüsselrolle ein, sie ist ein leistungsbestimmender Faktor, sagt Feldmann, die Zeiten, in denen die Schnelligkeit eines Sportlers nur anhand eines 100-Meter-Sprints analysiert wurde, sind vorbei, und das schon lange.
Man muss unterscheiden, meint er, hier die Spieler mit der guten Technik, dort die Kicker mit der Spielintelligenz, „immer mehr Entscheidungen müssen auf dem Spielfeld in immer kürzerer Zeit gefällt werden“, und es helfe die beste Technik nicht, wenn man im Spiel die falschen Entscheidungen treffen würde.
Hier war er der Merte, auf der Insel der „big fucking German“

Am besten wäre natürlich beides, gute Technik verbindet sich mit Spielintelligenz, oder?
Muss nicht unbedingt sein, antwortet Tobias Feldmann, und er könnte hier und sofort ein Gegenbeispiel nennen, einen Kicker, den er selbst in der Niedersachsenmetropole hat spielen sehen. Gerne, her mit dem Namen, aber vorher will der Lokalredakteur doch einmal raten: Der Per?
Genau, sagt Feldmann, Per Mertesacker, ein echtes Eigengewächs. TSV Pattensen, 96, Werder Bremen, FC Arsenal, 104 Spiele für Deutschland, 2014 Weltmeister in Brasilien.
Oder: „Ein ewiges Idol“, so Feldmann, doch Mertesacker sei gar nicht der allerbeste Fußballspieler gewesen, aber ein hervorragender Mannschaftsspieler mit einem überragenden Stellungsspiel. „Merte“, wie er bei 96 und Werder genannt und dann als „big fucking German“ in England legendär wurde, sei nicht der größte Techniker unter der Sonne gewesen, zieht Feldmann Bilanz: „In der Summe seiner fußballerischen Eigenschaften aber war Merte unschlagbar.“
© Schaumburger Zeitung / Frank Westermann