Wer hilft dem 70-Jährigen auf dem Schwebebalken?

Die Liebsten der Auszuzeichnenden, das seien die Familien, die das erste Mal die Bedingungen für das Deutsche Sportabzeichen absolviert haben, erklärt Cornelius Padberg bei der Verleihung der im vergangenen Jahr errungenen höchsten deutschen Auszeichnung außerhalb des Wettkampfsportes.

Und das hat einen ganz einfachen Grund, erklärt der Sportabzeichen-Chefabnehmer des SC Auetal: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Familie im nächsten Jahr wieder mitmacht und dem Sport so die Treue hält, die ist richtig hoch.

 Das zeigt ein Blick auf die Zahl der Erwachsenen, die das Sportabzeichen ablegten: Nahezu alle sind Wiederholungstäter. Padberg formuliert es so: Die Namen der Teilnehmer sind immer gleich, nur die Zahl der Wiederholungen ändere sich von Jahr zu Jahr.

 Bei den Familien ist ein Zuwachs zu notieren: Waren es 2011 noch sieben Familien, so absolvierten im zurückliegenden Jahr zehn die Bedingungen.

 Einen leichten Rückgang gab es bei den Kindern und Jugendlichen: 60 statt 65 im Jahr 2011, aber das war wohl eher der schweren Koordination im Bereich der Schwimmprüfungen geschuldet als der mangelnden Lust, ließ Padberg durchblicken.

 In diesem Jahr wird das Sportabzeichen nach neuen Regeln absolviert, und die sorgen erst einmal für mehr Gerechtigkeit. Bei den ganz „Kleinen“ nämlich. Bislang begann die erste Altersgruppe bei acht Jahren, und für manchen Fünfjährigen, der das Sportabzeichen ablegen möchte, ist es ganz einfach aus körperlichen Gründen nicht zu schaffen, die Bedingungen zu erfüllen, die an einen Achtjährigen gestellt werden. Jetzt beginnt die erste Gruppe bei sechs Jahren. Im SC Auetal hat man sich für diejenigen Kinder, die mitmachen wollten, aber aus dem besagten Grund nicht alle Kategorien erfolgreich abschlossen, eine hübsche Regelung einfallen lassen: Es gab für die betreffenden vier Kinder eine Ehrenurkunde.

 Was ändert sich? Erst einmal die Zahl der Kategorien. Es sind nur noch vier für die motorischen Grundfähigkeiten, also eine weniger, und sie sind klar gegliedert: jeweils eine für Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination.

 Und: Gold gibt es jetzt nicht nur für Wiederholungen, sondern auch für Leistung: Jeder, der das erste Mal mitmachen möchte, kann also gleich Gold holen. Was zu hübschen Vorstellungen führt: Ein 16-Jähriger, der sich in der Ausdauer für eine Goldleistung im Dauer- oder Geländelauf entscheidet, muss 75 Minuten am Stück laufen – welcher Prüfer kann da eigentlich mithalten?

 Auch neu: Zonenweitsprung. Dafür wird die Sprungkuhle in mehrere Zonen aufgeteilt, es gibt vier Versuche, die alle geschafft werden müssen. Zweimal wird mit dem linken Bein abgesprungen, zweimal mit dem rechten, und zwar in einem 80 Zentimeter großen Absprungbereich. Nach dem ersten Meter beginnt die erste Zone. Wer hier landet, erhält einen Punkt. Nach zwei Metern folgt die nächste Zone. Nicht alles wird man bei SC Auetal anbieten, stellte Padberg klar: etwa Übungen auf dem 1,25 Meter hohen Schwebebalken für 70-jährige Sportler und älter. Wer soll da Hilfestellung machen und die Verantwortung übernehmen?

 Überhaupt geht Padberg davon aus, dass es eine Version 1.1 geben wird, nämlich eine überarbeitete, weil das Eine oder Andere, was jetzt neu oder anders ist, sich in der Praxis nicht durchsetzen werde oder in anderer Form angeboten werden sollte. Ebenfalls neu: Wer als Kind nachweist, dass er schwimmen kann, hat bis zum 17. Lebensjahr Ruhe in dieser Disziplin, wenn er denn möchte. Als Erwachsener muss man nur noch alle fünf Jahre nachweisen, dass man weiterhin unfallfrei von einem Beckenrand zum anderen kommt.

 Mit dem europäischen Sportabzeichen wurde ausgezeichnet Lea-Kristina Meyer und Katharina Dux. Und mit Fatma Gellermann hat ein Mitglied des SC sich weiterbilden lassen. Sie darf jetzt ebenfalls die Prüfungen für das Sportabzeichen abnehmen.

 Auf einen weithin wenig bekannten Aspekt wies Padberg bei der Ehrung auch hin: die Berücksichtigung von Leistungsabzeichen anderer Sportarten. Wer etwa das Laufabzeichen des DLV oder das Geräteturnabzeichen, das Deutsche Reitabzeichen oder das Leistungsabzeichen des Schützenbundes besitzt, kann sich die dort erbrachte Leistung für eine Disziplingruppe beim Sportabzeichen anerkennen lassen.

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